Am vergangenen Wochenende veröffentlichte ich auf meinem Instagram-Kanal einen Post zum Thema „Zeit für mich“…
Daraufhin passierte einiges – im Außen (da vor allem im direkten Austausch mit meinen Lesern) und was soll ich sagen, auch bei mir. Innendrin. Sprich, das Thema arbeitete und arbeitete in mir… Und ich fragte mich, warum genau?! Was ist es, das mich in diesem Zusammenhang so sehr beschäftigt… Bin ich doch eigentlich ziemlich fein mit der Sache. Pro Me-Time! YES! Oder vielleicht doch nicht?
Raus in die Natur & rein in die eigene Gedankenwelt
… erstmal raus! Das Baby war eh müde – also packte ich es in den Kinderwagen und machte einen Waldspaziergang… Hilft bei mir immer, Ordnung im Kopf zu kriegen – und war auch diesmal wieder goldrichtig, um der Sache mal auf den Grund zu gehen, in mich hinein zu spüren…
Und – oh Überraschung – ich stellte fest: Es ist nicht das Thema an sich, das mich umtreibt – im Gegenteil, ich finde es wichtig und richtig darüber zu schreiben, darüber zu sprechen – es ist vielmehr dieser Druck, der damit mittlerweile schon wieder aufgebaut wird. Denn es ist doch so: Gefühlt stündlich lese ich in den sozialen Medien davon, dass wir Frauen, wir Mütter vor allem auf uns achten sollen. Und dazu sehe ich Fotos von Frauen in Me-Time, Auszeit, Wohlfühl-Zeit… Das Interessante: Ich gehöre ja auch zu denen, die da in den sozialen Medien darüber schreiben. Und ich seh das genauso. Und doch ganz anders.
Das Problem an der Sache
Was mich „stört“? Es ist irgendwie der Ton, die Vehemenz und auch teilweise die Bildwelt, die mir oftmals daran nicht gefallen. Dieses Mitschwimmen auf der „Me-Time-Achtsamkeits-Welle“. Weil es eben gerade schick ist…
Ist es aber nicht! Achtsamkeit ist nicht schick! Manchmal fast verzweifelt einen Weg finden zu wollen, um sich zu spüren und nicht in den Lebensfluten zu ersaufen ist nicht schick! Als ich selbst 2014 dazu kam, mich mit dem Thema, mit mir auseinanderzusetzen, später sogar eine Ausbildung zur Achtsamkeitstrainerin zu machen, ging es mir ganz ehrlich beschissen (hier die Geschichte meiner Depression). Ich war krank, traurig, ein Stück weit orientierungslos, überreizt und überfordert. Von mir und von diesem Leben. Und glaubt mir, vor 5 Jahren galt man noch als ein wenig schräg & esoterisch, wenn man sich für Achtsamkeit interessierte. Dabei wollte ich doch nur diese verdammten Stimmen in meinem Kopf unter Kontrolle kriegen, die mir so viel Mist über mich erzählten… Und tatsächlich hatte ich damals das Gefühl, ich war eine von eher wenigen, die offen darüber sprachen, dass es sie krank gemacht hatte, sich nicht um sich zu kümmern. Und an manchen Tagen verursachte es mir tatsächlich Unbehagen. Da aber die Situation ernst und alle anderen Optionen ausgereizt waren, ging ich los… Und in die Öffentlichkeit… Und was soll ich sagen: Ich hatte auf meinem Weg ein AHA-Erlebnis nach dem anderen!
Es geht nicht um Egoismus
Denn ich erkannte immer mehr, dass es bei diesem “Zeit-für-mich-Ding” nicht darum ging, egoistisch sein Ding durchzuziehen, sondern eine Balance in allem zu finden, um gesund, kraftvoll und zufrieden dieses Leben zu leben. Für mich selbst, aber auch für das gesamte „System“, in dem ich als ein Puzzlestückchen lebe (Familie, Freunde, Job,…) Es ging also nicht um „nice-to-have“, sondern ums Über-Leben. Und nein, damit übertreibe ich nicht!
Und heute? „Achtsamkeit“ ist ein verbrannter Begriff. Wird gerade in den sozialen Medien gefühlt immer und überall und sowieso für alles gebraucht – und das wiederum führt dazu, dass viele wunderbare Menschen, die vielleicht am Limit laufen – so wie ich damals – und die für sich Kraft und Hoffnung aus der echten Auseinandersetzung mit dem Thema ziehen könnten, allein schon beim drölfzigtausendsten Mal Lesen des Wortes die Augen rollen. Weil sie das Gefühl haben, noch einen Punkt mehr auf dieser Liste zu haben, die sowieso schon viel zu lang ist. Und das verstehe ich so so gut!
Es ist genug!
Denn erzähle doch bitte mal einer berufstätigen Mutter, die vielleicht noch alleinerziehend ist, sie solle bitte mal zwischendurch die Füße hochlegen, an sich denken… Achtsam mit sich sein. So aus der Kalten. Ohne diesen an sich wirklich wertvollen „Tipp“ in einen größeren Zusammenhang zu stellen… Könnte sein, sie lacht kurz hysterisch auf. Oder haut Dich. Denn zu all dem Druck, den sie ohnehin schon hat, kommt dann auch noch der dazu, bitte innezuhalten. Gelassenheit auszustrahlen. Bei sich zu sein. Einfach mal so, zwischendurch. Doch wie, was, warum… Darüber wird nicht gesprochen.
Achtsamkeit ist keine Aufgabe
Achtsamkeit ist eben keine weitere Aufgabe auf der To-Do-List, keine weitere Sache, die wir Frauen, wir Mütter bitteschön perfekt beherrschen sollten (neben perfekte Mutter, Partnerin, Freundin, Hausfrau, Angestellte/Selbständige, …) Es ist eine Haltung. Eine Haltung zu sich selbst und zum Leben, die es Dir ermöglicht, all den Wahnsinn und all die Herausforderungen, die da jeden Tag auf uns einprasseln, gesund, kraftvoll und auf DEINE Art und Weise zu bewältigen… Nicht so, wie Dir das die Gesellschaft, der Nachbar oder die „wohlmeinenden“ anderen Stimmen im näheren Umfeld gern einreden, sondern so, wie es für Dich – und nur für Dich und Deine Lebenssituation – passt. Und dazu gehört zuerst einmal die Bereitschaft zur Veränderung, gefolgt von einer stillen, oft zaghaften und liebevollen Annäherung an dieses Thema & damit an sich selbst… Tja, und dann purzeln sie, die Erkenntnisse – zum Beispiel darüber, was DIR tatsächlich guttut… Und hoppla, vielleicht isses ja gar nicht das oft gezeigte Insta-Kerzenschein-Vollbad am Abend oder der Kaffee in der Sonne oder das Buch auf dem Schoss. Vielleicht ist es ja Kickboxen, Briefmarken sammeln oder was weiss ich was für eine Beschäftigung… Jeder Moment hat das Potenzial zu heilen…
Ein guter Freund ist viel wert!
Ja, Achtsamkeit ist wie ein guter Freund fürs Leben… Gibt man ihr eine Chance, dann ist sie ein wahrer Zeit-Schenker… Denn tatsächlich hilft sie, aus dem täglichen Autopiloten, der Anpassung und den vielen alten Mustern auszusteigen und den Blick klar werden zu lassen. Auf Dich selbst und auf das, was für Dich zählt. Und ja, da kommt dann vielleicht heraus, dass der aktuelle Job, der aktuelle Wohnort oder auch die aktuelle Beziehung nicht das sind, was Deine Energiespeicher füllt, sondern Umstände, die Dir unendlich viel Kraft rauben. Kraft, die an anderer Stelle zum Leben fehlt. Oder Du erkennst vielleicht, dass Talente in Dir schlummern, die gelebt werden wollen… Die eigene innere Stimme aber hindert Dich daran. Immer und immer und immer wieder!
Und dann?
Tja, und dann wird es spannend: Denn dann kommt die Frage, ob Du Dich traust, das aktuelle Dasein zu entzerren, nicht auf 1000 Hochzeiten zu tanzen. Dich zu fokussieren – auf das, was wirklich wichtig ist. Und dann auch den ersten Schritt ins Ungewisse, hinein ins eigene Leben tatsächlich zu gehen… Oder, und auch dafür habe ich unendlich viel Verständnis, ob Du noch Zeit brauchst…
Es ist Deine Entscheidung.
… und auch das ist ganz allein DEINE Entscheidung. Und auch da gibt es wie immer kein „Richtig“ & kein „Falsch“. Bist Du bereit, wirst Du die Erfahrung machen, wie es ist, endlich „in Deiner Zeit“ zu sein… Und wenn Du noch nicht soweit bist, ist es auch o.k. – bedeutet aber auch, weiter im Mangel zu sein – und das meine ich weder wertend noch negativ. Aber zur ganzen Wahrheit gehört nun einmal, dass Unzufriedenheit (womit auch immer) aus einem Mangel heraus entsteht und der Schlüssel, um dies zu ändern, innen steckt.
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