Die einfachen Dinge.
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Leben außerhalb der Norm

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Gestern suchte ich *malwiederirgendwas*… und dabei fiel mir eine CD mit Bildern aus meiner Studentenzeit in die Hände… Darauf zu lesen: „Wir lebten eine Zeit lang außerhalb der Norm.“ Ich musste schmunzeln.

Wir, das war damals ein Haufen von jungen Leuten, die der Zufall zusammengeführt hatte und die neugierig, offen, lebenshungrig und verrückt genug waren, eine Weile ihr Leben miteinander zu teilen… Denke ich heute an diese Zeit zurück, muss ich IMMER breit grinsen und bin erfüllt von riesengroßer Wärme und Dankbarkeit. In dieser Gemeinschaft nämlich durfte ich erfahren, wie es sich anfühlt ganz und gar lebendig zu sein – zusammen haben wir gelacht, getanzt, gelernt, gefeiert, gelitten, geredet, gezweifelt, geflucht und gemeinsam sind wir an unsere Grenzen gekommen… und gewachsen…

Irgendwann verließ ich diese Gemeinschaft und machte mich “allein” auf den Weg. Und Stück für Stück kam ich an. In der Norm. Ich spürte genau, dass da irgendwas schief lief, konnte es aber nicht benennen. Viele der Wohlfühlmenschen von damals waren auch in dieser Lebensphase an meiner Seite – und war ich in ihrer Nähe, zeigte sich die Lebendigkeit von damals. Dann spürte ich mich, fühlte mich. Wohl. Doch all die anderen Tage kam ich mir eher vor wie ein Schauspieler, der verdammt gut in seiner Rolle war…

Und ich war unsicher. Beobachtete meine Freunde – auch sie hatten sich mittlerweile in ihr eigenes Leben aufgemacht. Und ich freute mich über erste Hochzeiten, Kinder, Häuser, … Doch die gemeinsame Zeit mit ihnen wurde weniger… und weniger … und weniger… Ich konnte das gut verstehen, merkte ich doch an mir selbst, wie der Alltag und all die Erwartungen von außen und innen mich regelrecht auffraßen. Und dennoch: Die wunderbare Energie dieser Menschen fehlte mir. Und ich flüchtete. In die Norm. Das gab Sicherheit, Lob, Annerkennung und täuschte Verlässlichkeit vor.

Und dann kam der Tag, an dem die Norm sich um meinen Hals schlang und fest zudrückte.

  • Es ist jetzt 12:30 Uhr. Ich sitze in einem wunderhübschen kleinen Lokal und schreibe diesen Text, obwohl ich in einem Büro mit der Arbeit, für die ich ursprünglich mal studiert habe, viel mehr Geld verdienen könnte.
  • Ich esse am Abend immer ganz viel, obwohl man das ja nich soll.
  • Ich mag keinen Kaffee aus Gläsern, obwohl das doch so muss bei manchen Kaffeedings-Variationen.
  • Ich werde am 30. Juni meinen ersten 10 km-Lauf machen (YEAH!), obwohl ich von mir selbst immer dachte, ich bin unsportlich und Laufen is GAR NIX für mich.
  • Ich bin noch genauso verliebt in meinen Mann wie ganz am Anfang, obwohl immer alle sagen, dass das nicht geht 😉
  • Ich habe manchmal Heimweh und wäre gern in meinem Erzgebirge, obwohl ich immer dachte, ich muss in die Stadt, um wer zu sein.
  • Ich sitze mit einem Arm rechts und einem Arm links drum noch immer gern zwischen meinen Eltern und genieße ihre Anwesenheit, obwohl ich 37 Jahre alt bin.
  • Ich habe kurze Haare, obwohl mein Sohn sagt, ich sei kein richtiges Mädchen, weil Mädchen einen Zopf haben.
  • Ich sage oft NEIN, obwohl ich mich damit unbeliebt mache.
  • Ich erfülle meine eigenen Erwartungen nicht mehr, obwohl das manchmal ein ziemlicher Kampf ist.
  • Mein kleiner Junge ist mein bester Lehrer, obwohl es doch andersrum sein sollte.

Ich lebte eine Zeit lang außerhalb der Norm. Und ich tue es wieder. Weil ich nicht anders kann…

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