Der feine Unterschied.
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Sing dein eigenes Lied!

Sing dein eigenes Lied

Ich stand in der Küche. Die Tür zum Wohnzimmer war nur angelehnt, der Sohn dort mit Legosteinen beschäftigt. Und während er so baute, sang er ein Lied. Das macht er gern und ziemlich oft… und ich liebe es…

An diesem Tag jedoch fiel mir auf, dass er ungewöhnlich lange trällerte… und dabei auf bekannte Melodien ganz eigene Texte sang. Ich horchte genauer hin. Da tauchten Dinge auf, die er erlebt hatte, Geschichtsfetzen aus seinen Büchern, aus Hörspielen – eben alles, was da so in seinem Köpfchen umherschwirrte. Und es war so zuckersüß anzuhören…

Und ich musste an meine Liedergeschichten denken… die hier gerade neu “interpretiert” wurden…

Szenenwechsel. August 2016.

Ich habe gerade Königsberger Klopse gegessen. Wie bitteschön soll ich jetzt diese Strecke fahren? Noch dazu mit den beiden Jungs – meinem Mann und meinem Bruder… beide ausgesprochen fit…

Wir sind im Harz und machen Familienurlaub. Und ich hab mich tatsächlich darauf eingelassen, gemeinsam mit Mann und Bruder diese Fahrradtour zu machen. Jetzt, nach den Königsberger Klopsen, liegen zwar „nur noch“ knapp 10 Kilometer vor uns, allerdings straff bergauf. Mal mehr, mal weniger, aber trotzdem insgesamt straff bergauf.

Ich steige aufs Rad und fahre los… nur nicht nachdenken, einfach machen… Doch nach wenigen Metern schon schlage ich innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Vor und neben mir meine beiden Sportskanonen, die ganz easy um mich rumkurven… lustige Sprüche machen, Witze erzählen, locker flockige Unterhaltungen führen. Und ich? Schnaufe wie ne alte Dampflock. An Unterhaltung nicht zu denken! Doch kneifen mag ich nicht… Mithalten… Mithalten… Mithalten… Meter um Meter…

Das geht eine ganze Weile so… bis ich irgendwann mal wieder aufschaue und mal wieder nur BERG! BERG! BERG! sehe.

Das schaffe ich nie. Die sind viel trainierter, besser, schneller als ich. Wie soll ich jemals ankommen? Erst recht, wenn ich jetzt den Rest des Wegs schieben muss?! Und wie sieht das denn aus? Wo muss ich überhaupt lang, wenn die beiden weg sind?! Ich find doch aus dem blöden Wald allein gar nicht wieder raus?!

Blablablabla… Ganze Gedankenlawinen rollen durch meinen Kopf. Laut. Schnell. Dunkel. Und sie reden mir ein, dass ICH DAS NIEMALS SCHAFFEN WERDE! Punkt. Aus. Ende. Und ich spüre ihn, diesen Kloß im Hals. Den von der Wut. Der Wut auf mich selbst. Spüre, wie mich meine alten Muster im Griff haben.

Und dann, irgendwie, erinnere ich mich: „Anja, das sind nur Gedanken. NUR GEDANKEN!! Die Entscheidung, was jetzt zu tun ist, liegt ganz allein bei dir. Einatmen. Runterkommen. Selbst entscheiden.“

Und so scheuche ich die beiden Männer weg (ihr Tempo ist NICHT mein Tempo) und dann horche ich in mich rein… Ist da ein Rhythmus? Mein Rhythmus? Trete und trete und horche und spüre in mich hinein… Welche Geschwindigkeit tut MIR gut? Wie schnell kann ICH treten, ohne völlig hochrot an meiner Grenze zu schnaufen? Wann fühlt sich mein Puls gut an?

… und rutsche so irgendwann in meinen ganz eigenen Flow… und HUCH! beginne sogar leise vor mich hin zu singen, …

Und denke an meinen Sohn. Diesen tollen kleinen Jungen, der seine ganz eigenen Lieder singt… Dem es schnurzpiepegal ist, was andere machen… Und ich bin einmal mehr so dankbar für diesen kleinen Kerl. Und all die wunderbaren Momente, die er mir schenkt. Die Einsichten, die daraus bei mir wachsen…

Denn ja klar, es gibt die “fertigen Lieder”, die uns abholen, gefallen, inspirieren – doch immer gibt es auch Passagen, die nicht so ganz zu uns passen, wo wir weghören, die wir vielleicht nicht so mögen… Und im Leben? Wie ist es da? Trauen wir uns da, “unsere eigenen Lieder” zu singen? Unseren eigenen Weg zu finden? Uns selbst zu entdecken? Oder übernehmen wir vielleicht doch viel zu oft die fertigen Meinungen & Bewertungen, gehen den “gesellschaftlich anerkannten” Weg? Obwohl er uns hemmt? Bremst? Wütend macht?


Und während ich so darüber nachdenke, macht sich ein wohliges, ein warmes Gefühl in mir breit, weil ich mich da an diesem Berg spüre… und wahrnehme, was da gerade mit mir passiert…

Und ab und an kommen die beiden Männer vorbei, grinsen mich an, machen einen flotten Spruch… und fahren wieder davon… und plötzlich, ja plötzlich bin ich angekommen. In vielerlei Hinsicht…

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